In lockerer Folge stellen wir Ihnen in dieser Rubrik aktuelle Buchempfehlungen aus unserem Laden vor. 
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Ilona Jerger: Lorenz

iper 2023. 336 Seiten
ISBN: 978-3-492-07253-3
24,00 Euro

Das Leben eines Vollblutwissenschaftlers mit grandiosen Entdeckungen, politischen Verwirrungen und einer unfassbaren Liebe zu allem, was lebt.

Lorenz? Lorenz? Konrad Lorenz etwa, der Gänseforscher?
Genau der ist es, der weltberühmte Gründervater der genetischen Verhaltensforschung, der Ilona Jerger so sehr fasziniert, dass sie Leben und Werk in einer spannenden Romanbiographie würdigt.

Konrad Lorenz‘ Vater, ein berühmter Medizin-Professor, verfügt, dass sein Sohn in seine beruflichen Fußstapfen tritt, auch wenn der schon als Kind lieber Dohlen und anderes Federvieh zähmt und beobachtet. Obwohl Konrad früh andere berufliche Pläne hat, muss er sich beugen. So studiert er Humanmedizin, heiratet seine Gretel und bekommt mit ihr zwei Kinder. Dann endlich, als er Arzt ist und dreißig wird, kann er Vaters Diktat hinter sich lassen und eigene Wege gehen.
In Altenberg bei Wien wird aus seinem besessenen Hobby der Vogelbeobachtung ernste, fundierte Wissenschaft. Lorenz erforscht und dokumentiert die Psychologie der Prägung am Beispiel der Graugänse, am liebsten an Martina, seiner Lieblingsgans. Diese sieht sein Gesicht beim Schlupf aus dem Ei vor dem ihrer Mutter und watschelt nun Konrad auf Schritt und Tritt hinterher. Ihre leibliche Mutter verachtet sie. Er ist nun ihre Mutter.
Damit wird Lorenz berühmt - mit der Entdeckung der „Prägung“.
Gretel muss einiges ertragen, vor allem flatternde und schnatternde Hausgäste, die auch vor dem Ehebett nicht Halt machen und gerne auf den Perserteppichen ihre Hinterlassenschaft platzieren. Wenn es denn der Forschung dient…
Doch dann wendet sich das politische Klima Anfang der 1930er und man kann sich nur wundern, wie unkritisch ein solch kluger Mann sich die Ideologie der Nazis zu Eigen macht. Das muss er noch bereuen…
Ilona Jerger begleitet Konrad in ihrem Roman weiter durch die Nazizeit, den Krieg und die Gefangenschaft, denn hier ist er einer von vielen.
Immer dabei ist jedoch ein Fetzen Papier und ein Stift, um jedwede Beobachtung an Federvieh und anderem Getier festzuhalten, auch an der Front und in Russland in der Gefangenschaft. Wie durch ein Wunder kann er seine Aufzeichnungen nach dem Krieg auf dem beschwerlichen Weg nach Hause retten.
Als politisch endlich wieder Ruhe einkehrt, verfasst er sein erstes großes Werk. Aggressionstrieb, Kindchenschema und Prägung - erlernt oder angeboren?
Daraus werden große Werke, die damals bahnbrechende Erkenntnisse beinhalteten, jedoch zunehmend kritisch gesehen werden. Aus seiner Forschung an der Eugenik entstehen ethische Überlegungen, aus welchem Ursprung beispielsweise „das Böse“ kommt.
Lange muss der nun längst habilitierte Lorenz auf die höchste wissenschaftliche Anerkennung warten, schließlich dann doch und endlich: im Alter von 70 Jahren erhält er 1973 (gemeinsam mit seinen Freunden und Kollegen Karl von Frisch und Nikolaas Tinbergen) den „Nobelpreis für Physiologie oder Medizin“.
Wenn Martina noch leben würde, sie wäre so stolz auf ihn, den großen, weißhaarigen Mann mit den Gummistiefeln, hinter dem sie so gerne her watschelte.
Konrad Lorenz beobachtet und schreibt weiter, bis ins hohe Alter, während jüngere Forschung teilweise seine damals revolutionären Entdeckungen in der Ornithologie überholen. Schmerzlich, aber so ist die Wissenschaft…
Drei Jahre nach Gretels Tod stirbt Konrad 1989 im Alter von 86 Jahren in seinem Geburtsort.

Schriftstellerisch ist der Autorin ein genialer Coup gelungen, indem sie als Lorenz-Biographin in die Rolle einer fiktiven Ornithologin der Jetzt-Zeit schlüpft. So kommentiert sie in kursiv gesetzten Sonderabschnitten fachkundig seine Beobachtungen und Forschungsergebnisse - würdigend und zugleich kritisch.
Auf die Idee muss man erstmal kommen!

Für biologisch interessierte Leserinnen und Leser ein spannendes, unterhaltsames und ungeheuer lehrreiches Buch.
Mir hat das Lesen von der ersten bis zur letzten Seite Spaß gemacht!

(Christa Dresbach-Schnieder  / 18. Juli 2024)

 

 

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