Archiv der bisher veröffentlichten Lesetipps:

Charles Lewinsky: Rauch und Schall

Diogenes 2023. 296 Seiten
ISBN: 978-3-257-07259-4
25,00 Euro

Amüsantes Possenspiel um eine Schreibblockade der großen Dichter- Ikone Johann Wolfgang von Goethe.

Von einer Reise in die Schweiz kehrt Goethe übellaunig zurück. Die erhofften Inspirationen für seine dichterische Arbeit sind ausgeblieben, statt dessen peinigen ihn blutende Hämorrhoiden und schmerzhafte Furunkel am Rücken. Nicht einmal das von Herzog Carl August bestellte Geburtstagsgedicht für seine Gemahlin Herzogin Luise wird er fristgerecht abliefern können: eine ausgewachsene Schreibblockade lässt den gefeierten Dichterfürsten schier an sich selbst verzweifeln. Als Goethes pragmatische Geliebte Christiane Vulpius vorschlägt, ihr Bruder, der von Goethe als dilettantischer Vielschreiber verspottete Hofbibliothekar Christian August Vulpius, könne ihm behilflich sein, lässt Goethe sich widerwillig darauf ein.
Aus Historischem und Fiktivem spinnt Lewinsky eine humorvolle, sprachlich gelungene Verwechslungskomödie mit ironischer Situationskomik, in deren Verlauf nicht nur Goethes dichterischer Genius dank Vulpius zurückkehrt, sondern auch Vulpius auf ganz unerwartete Weise vom Meister profitiert. Mit Goethe, dem Hochtalentierten, und Vulpius, dem Lohnschreiber, prallen diametral entgegengesetzte Vorstellungen von Kunst aufeinander. Aber was ist Kunst? Und wie wichtig ist der Name des Kunstschaffenden? Hat Goethes Faust recht, wenn er sagt, Name sei Schall und Rauch wie der Titel des vergnüglichen Romans suggeriert? 
Rauch und Schall- kluger, federleichter Lesespaß des vielfach ausgezeichneten Schweizer Autors Charles Lewinsky, der nicht nur zeigt, wie es im Hause Goethe menschelt, sondern auch einen Blick auf die Weimarer Gesellschaft jener Zeit wirft.

( Christine Heymer / 28 März 2024) 

 

 

 

Astrid Ruppert: Hundert Himmel

Diederichs Verlag 2023. 143 Seitenzahl
ISBN: 978-3-424-35123-1
18,00 Euro

Das schmale, poetische Büchlein ist eine Ode an den Mut, seinen eigenen Weg zu gehen und seine Träume zu leben.

Der kleine Zilpzalp Zio ist in den Augen der anderen Zilpzalps ein komischer Vogel. Kaum dass die kleinen Vögel alle flügge geworden sind, üben sie sich tagein tagaus unermüdlich im Hochflug, Weitflug, Schnellflug und wetteifern miteinander um die größte Ausdauer. Nur Zio sitzt am liebsten ganz allein auf den hohen Bäumen des Waldes, nimmt die Schönheit der Natur in seine kleine Vogelseele auf und besingt sie gefühlvoll auf ganz andere Weise als seine Artgenossen in den schönsten Melodien. Spott und Anfeindungen sind ihm sicher. Wie will Zio ohne tägliches Flugtraining die Reise durch die Hundert Himmel ins warme Winterquartier schaffen? Die anderen Vögel sind sich sicher, dass der kleine Träumer den Winter nicht überleben wird.  Aber Zio lässt sich nicht beirren und findet einen Weg für sich, der am Ende das Leben des ganzen Schwarms verändern wird.
Eine absolute Leseempfehlung für Romantiker*innen, Träumer*innen und In- Geschichten- Taucher*innen, zum Selberlesen, als Geschenkbüchlein, zum Vorlesen und Wohlfühlen.

( Christine Heymer / 13 März 2024) 

 

Besuchen Sie uns gerne im Buch+Welt-Laden.

Neben aktueller Erwachsenenliteratur führen wir für unsere jungen und jüngsten Leser*innen die ganze Bandbreite guter Kinder- und Jugendliteratur: zauberhafte Geschichten für die Kleinsten, Kinderklassiker, die schon Oma und Opa liebten, Jugendliteraturpreisbücher und vieles mehr…. Ob unterhaltsam, anspruchsvoll, lustig, spannend, pädagogisch wertvoll oder informativ, hier ist ( Vor-) Lesevergnügen garantiert!

 

 

 

David Lubega: mambo no. 1

SCM Hänssler 2022. 272 Seiten
ISBN:  978-3-7751-6167-1
22,00 Euro

David Lubega erzählt sehr authentisch wie der Glaube an Jesus dem Leben Sinn und Tiefe gibt und eine Ehe heilt, wenn er von beiden Partnern geteilt wird. Man nimmt es David Lubega ab: Jesus ist jetzt wirklich Mambo No. 1 (so der Titel) in seinem Leben.

Zugegeben: ich musste mir den Hit auch erst noch einmal auf you tube anhören und das Video dazu anschauen, Mambo No. 5. Dabei staunte ich nicht schlecht: 500 Mio Klicks. Zum Vergleich: Helene Fischers Superhit ist nur 100 Mio mal angeklickt worden. Kein Zweifel: David Lubega ist mit seinem Hit zum Weltstar geworden.

In seiner Autobiographie beschreibt er ungeschönt, was das bedeutet hat. Er genießt das ausschweifende Party-Glamour-Leben bis er eines Tages die zierliche Jenny trifft. Beide genießen ein schönes reiches Leben und werden eines Tages noch mit einer Tochter beschenkt. Das Glück scheint perfekt zu sein. Aber irgendetwas fehlt zum Glück. Sie probieren dies und jenes, experimentieren mit unterschiedlichen spirituellen Angeboten, aber das Glück stellt sich nicht ein. Die Ehe kriselt, doch dann finden beide auf unterschiedlichen Wegen zum Glauben an Jesus. Das klingt jetzt zwar wie eine fromme Bekehrungsgeschichte, aber es ist eher so wie der Kirchenvater Augustin es beschreibt: unsere Seele ist unruhig in uns bis sie Ruhe findet in Gott. Die Kapitel in denen dann das neue Leben beschrieben wird, sind für traditionelle Christenmenschen eher gewöhnungsbedürftig, weil charismatisch-außergewöhnlich. Aber niemand würde auch erwarten, dass David Lubega mit seiner Familie eines Tages neben uns auf der Kirchenbank sitzt.

Gottes bunter Zoo hat und braucht viel Raum für bunte Vögel. Das Buch lag über ein Jahr auf meinem Nachtisch. Ich habe es zunächst quer gelesen und wollte eine Rezension dazu schreiben. Aber es ging nicht. Jetzt habe ich es in einem Rutsch durchgelesen, und das kann man; denn es ist schön und spannend geschrieben. In Zeiten, in denen uns so viele andere scheinbar wichtige Themen beschäftigen und die Kirche eher negativ gesehen wird, ist dieses Buch ein wohltuender Kontrapunkt.
( Jochen Gran / 26. Februar 2024)

 

 

 

Mariana Leky: Kummer aller Art

DuMont Buchverlag. 176 Seiten
ISBN: 978-3-8321-6723-3
13,00 Euro

Einige kennen sicher den Roman „Was man von hier aus sehen kann“ ein sehr erfolgreiches Buch, welches schon verfilmt wurde.
In ihrem neuen Buch, eine Sammlung literarischer Kolumnen die in der Zeitung „Psychologie heute“ erschienen sind, nimmt sie uns mit in verschiedene Lebenssituationen.

In ihrem neuen Buch, eine Sammlung literarischer Kolumnen die in der Zeitung „Psychologie heute“ erschienen sind, nimmt sie uns mit in verschiedene Lebenssituationen. Ihre Figuren schlagen sich mit Dingen herum, die wir alle kennen. Ob Schlaflosigkeit, Platzangst, Liebeskummer oder allgemeine Traurigkeit…eben Kummer aller Art.
Besonders  liebe ich ihre Wortschöpfungen – oder haben Sie das Wort:“ Sternenhafte Unerreichbarkeit“ schon gehört?

Sie schreibt es in Verbindung mit einer pubertären Schwärmerei ihrer Nichte für einen Pop Sänger. Diese Schwärmerei lebt von so einer Sternenhaften Unerreichbarkeit weil sie fern jeder Realität ist.
Ihr gelingt es alltägliche Dinge nüchtern zu betrachten und zu analysieren ( sie sagt, das tun Menschen die mehrere Psychologen in der Verwandtschaft haben) und sie hat die Gabe, sie liebevoll in Worte zu fassen.

Zutiefst erschüttert hat sie ein abgebauter Briefkasten, hat sie ihm doch fast 50 Jahre ihre Briefe, seien es Geburts-und Todesanzeigen, Weihnachts- und Geburtstagspost, Rechnungen, Liebesbriefe,  Schlußmachbriefe usw. anvertraut, und nun betrauert sie mit einer Nachbarin diesen schweren Verlust.

Ihre Geschichten sind oft so voller Komik, dass man platzen könnte vor Lachen und so herzzerreißend traurig, dass die Tränen kommen. Man möchte das Buch jedem empfehlen weil ihre Sätze so schön sind und klug und den Nagel auf den Kopf treffen, weil sie das Absurde im Alltäglichen beschreiben, aber nie kitschig wirken.


Und ich weiß, wenn ich das Buch zuschlage, weil es leider zu Ende ist, möchte ich sagen: oh – bitte – noch eine Geschichte!

( Heidi Osinski / 6. Februar 2024)

 

 

 

Terézia Mora: Muna oder die Hälfte des Lebens

Luchterhand 2023. 448 Seiten
ISBN: 978-3-630-87496-8
25,00 Euro

Leseempfehlung von der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2023: 
Ein Roman, der ohne belehren zu wollen eindringlich klar macht, wie das Konstrukt einer toxischen Beziehung zustande kommen und sich als Leitmotiv durch ein ganzes Leben ziehen kan
n.

Munas Kindheit ist geprägt vom frühen Tod des Vaters, vom Alkoholismus der Mutter und von seelischen Gewalterfahrungen.
Als sie volljährig wird und vorübergehend ganz auf sich allein gestellt ist, lernt sie bei einem Praktikum den deutlich älteren Fotografen Magnus kennen. Vom ersten Moment an ist sie besessen von ihm und lässt sich von seiner Zurückweisung nicht entmutigen.
Als er aus ihrem Leben verschwindet, kommt sie auch in den Jahren ihrer Studentenzeit mit Stationen in Wien und London nicht über ihn hinweg. Obwohl sie ihren eigenen Weg geht und nach außen stark und selbstbewusst erscheint, ist sie in ihrem Innersten doch zutiefst verunsichert und ohne jeden Halt.
Auf der ständigen Suche nach Liebe und Bestätigung lässt Muna sich immer wieder ausnutzen - sowohl körperlich als auch emotional.
Als sie Magnus schließlich nach Jahren wiedertrifft, liefert sie sich ihm bis zur völligen Selbstaufgabe aus und gerät in ein toxisches Abhängigkeitsverhältnis, das sie immer weiter von der Realität abdriften lässt.
Terézia Mora nimmt den Leser mit in Munas Gedankenwelt, formuliert präzise und direkt und lässt durch in Klammern stehende oder durchgestrichene Passagen Munas innere Konflikte greifbar und erlebbar werden.
Die so erzeugte Nähe zu Muna lässt den Leser anfänglich Sympathie für die eigenwillige, selbstbewusste Protagonistin empfinden.
Im weiteren Verlauf wird es zunehmend beklemmend, mitzuerleben, wie sie immer weiter die Kontrolle über ihr eigenes Leben, ihre Bekanntschaften und ihre Entscheidungen aufgibt. Immer im Bestreben, sich so klein zu machen, dass er ihr einen Platz in seinem Leben zugesteht, normalisiert sie schließlich Selbstaufgabe, Isolation und Gewalt als notwendige Bestandteile ihrer Beziehung.
Sowohl sprachlich als auch inhaltlich absolut empfehlenswerte Lektüre für alle, die sich einem Thema jenseits von Popcornkino-Unterhaltung stellen wollen. 

( Elisabeth Bühn / 22. Januar 2024)

 

 

 

Elena Fischer:  Paradise Garden

Diogenes. 352 Seiten
ISBN: 978-3-257-07250-1
23,00 Euro

Elena Fischer, eine junge Autorin Jahrgang 1987, hat mit ihrem Debütroman eine Punktlandung geschafft, sie ist direkt für den „Deutschen Buchpreis“ nominiert worden.

Die 14jährige Billie lebt mit ihrer Mutter in einer Hochhaussiedlung. Das Geld ist knapp, die Mutter verdient es mit kellnern und putzen und am Monatsende reicht es oft nur noch für Nudeln und Ketchup. Aber mit viel Fantasie und einem großen Herzen bringt sie Billies Welt zum Leuchten. Hin-und wieder bestellen sie sich einen Eisbecher, den Paradise Garden, und träumen vom Meer.

Bis – ja, bis ihre herzkranke Großmutter aus Ungarn zu ihnen zieht um ihre Krankheit hier behandeln zu lassen. Billie verliert mehr als nur den bunten Alltag mit ihrer Mutter, sie muss ihr Zimmer abgeben und ein paar geplante Ferientage fallen aus.

Ein plötzliches tragisches Ereignis lässt ihre bisherige Welt auseinanderfallen und sie beschließt, sich auf die Suche nach ihrem Vater zu machen. Ihre Mutter hat nie von ihm erzählt und außer einigen Notizen und einem alten Foto hat sie nichts von ihm, aber sie will herausfinden, warum sie immer vom Meer träumt. In dem alten Nissan ihrer Mutter macht sie sich auf den Weg nach Norden.

Es ist ein sehr berührendes Buch über ein mutiges Mädchen, dass in sehr kurzer Zeit erwachsen werden muss!
Es ist sehr empfehlenswert für Leser zwischen 15 und 99 Jahren

( Heidi Osinski / 8. Januar 2024)

 

Besuchen Sie uns gerne im Buch+Welt-Laden.
Neben aktueller Erwachsenenliteratur führen wir für unsere jungen und jüngsten Leser*innen die ganze Bandbreite guter Kinder- und Jugendliteratur: zauberhafte Geschichten für die Kleinsten, Kinderklassiker, die schon Oma und Opa liebten, Jugendliteraturpreisbücher und vieles mehr…. Ob unterhaltsam, anspruchsvoll, lustig, spannend, pädagogisch wertvoll oder informativ, hier ist ( Vor-) Lesevergnügen garantiert!

 

 

 

Pauline Mai: Ein Wunsch im Winter

Blanvalet. 336 Seiten
ISBN: 978-3-7341-1179-2
12,00 Euro

Stimmungsvoller, unterhaltsamer Lesespaß für Liebhaber*innen romantischer Liebesgeschichten, die im weihnachtlichen Plätzchen-, Glühwein- und Tannenbaumzauber umso wärmer leuchten

Vor drei Jahren, kurz vor Weihnachten, hat Madita ihre große Liebe Viktor durch einen tragischen Unfall verloren und trauert noch immer tief und untröstlich. Besonders die Tage um Weihnachten mit ihrer heimeligen Atmosphäre, dem Weihnachtsmarkt- und Winterzauber, den sie immer so geliebt hat, zerreißen ihr das Herz.

Ihre Schwester Thea und deren von Madita heißgeliebte Kinder Ella und Janosch lassen nichts unversucht, Madita ihren Lebensmut zurückzugeben. Als Ella und Janosch mit ihrer Tante Briefe an den Weihnachtsmann schreiben und die Kinder Madita ermuntern , auch ihre Wünsche zu Papier zu bringen, schreibt sich Madita ihren ganzen Schmerz von der Seele. Doch statt wie geplant im Papierkorb landet der Brief auf zunächst rätselhafte Weise bei einem Menschen, der tief in Maditas verwundetes Herz blickt. Der „ Weihnachtsmann“ antwortet der überraschten Madita und findet die richtigen Worte für sie. Jeder der von Madita bald schon sehnsüchtig erwarteten Briefe löst den Knoten um ihr Herz ein wenig mehr und schenkt ihr wieder Lebensmut und Lebensfreude.

Doch wer ist dieser geheimnisvolle Santa Claus, dem sich Madita bald so nahe fühlt? 
Zuviel sei an dieser Stelle nicht verraten, sicher aber ist, dass Sie die Buchdeckel dieses weihnachtlichen Schmökers mit einem glücklichen Lächeln schließen werden…

( Christine Heymer)

 

 

 

Necati Öziri: Vatermal

Claassen 2023. 304 Seiten
ISBN: 978-3-546-10061-8
25,00 Euro 

Lese- Highlight von der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2023:
Die sensible Auseinandersetzung eines vaterlos aufgewachsenen deutsch- türkischen Jugendlichen mit Identitätssuche und Rassismus

Mit lebensbedrohlichem Leberversagen liegt der deutsch- türkische Literaturstudent Arda auf der Intensivstation. Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr, seinen Vater mit seinem bislang ungesagten Schmerz und seiner Wut zu konfrontieren, diesen Vater, den er nie kennengelernt hat, weil er Frau und Tochter kurz vor Ardas Geburt verlassen hat. Also schreibt er Briefe an ihn über sein Aufwachsen ohne ihn, über seine überforderte Mutter, die die Verletzungen durch ihre eigene traumatische Familiengeschichte an ihre Tochter weitergibt, über die Erniedrigungen durch die deutsche Bürokratie und die Geborgenheit, die er in seiner Jungenclique erfährt.


Authentisch und kraftvoll erzählt der Autor eine psychologisch komplexe Geschichte über drei Generationen einer Migrantenfamilie, ihr Scheitern an strukturellem Rassismus und Heimatlosigkeit und zeichnet mit bewegender Zartheit das unter die Haut gehende Porträt des verletzlichen Jugendlichen Arda auf der Suche nach Identität in dieser schwierigen Konstellation.


Wie eine emotionale Kernbohrung trifft der Blick Ardas auf seine persönliche und gesellschaftliche Situation, seine Zerrissenheit und Kraft mitten ins Herz der Leser*innen. Großartig! 

( Christine Heymer)

 

 

 

Linde Fass: Irgendwo im Schnee

Von Hacht Verlag 2023. 32 Seiten
ISBN: 978-3-96826.034-1
16,00 Euro

Mit Mut und Kreativität verwandelt ein einsames kleines Mädchen einen traurigen Weihnachtsabend in ein helles Fest.

Leise rieselt Schnee aus dem dunklen Winterhimmel und zaubert weiß- bunte Tupfen vor die festlich erleuchteten Fenster des großen Hauses. Nur in der Wohnung von Sophie und ihrem Papa bleibt es dunkel. Sophie ist traurig und einsam, weil ihr Papa zu beschäftigt ist, um mit ihr zu feiern. Vielleicht wartet draußen ja etwas Schönes, Festliches auf sie? Sophie wagt sich hinaus in das Schneegestöber. Plötzlich steht ihr ein freundlicher Elch gegenüber, der sie einlädt, auf seinem warmen Rücken in die weiße Waldwelt zu reiten.


Hier ist Sophie nicht mehr allein. Zusammen mit den Waldtieren lässt sie ein kleines , krummes Bäumchen geschmückt in hellem Wunderlicht erstrahlen und wird selbst ganz erfüllt vom winterlichen Weihnachtszauber als unerwartet ihr Papa vor ihr steht.

Zart und voller Poesie erzählt das Bilderbuch eine märchenhafte Weihnachtsgeschichte von einem kleinen Mädchen, das mit Phantasie Einsamkeit und Dunkel überwindet und ein Weihnachtsfest abseits aller Konventionen feiert.

Das großformatige, in in gedeckten Blau- und Grautönen mit wenigen ausdrucksstarken Lichtakzenten gehaltene Bilderbuch wärmt das Herz beim Betrachten und Lesen.
Eine zauberhafte weihnachtliche ( Vor- ) Leseempfehlung für Kinder ab 4

( Christine Heymer)

 

 

 

 

Edward van de Vendel, Anoush Elman: Mischka

Thienemann 2023. 160 Seiten
ISBN: 9783-522-18651-3
15,50 Euro

Sensible, kindgerechte Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht.

Endlich sind die neunjährige Roya und ihre Familie angekommen: Sie haben die ersehnte unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für die Niederlande erhalten und sind in ein hübsches Haus  mit Garten und eigenen Zimmern für Roya und ihre drei Brüder gezogen. Nach der gefährlichen Flucht aus Afghanistan hatte die Familie jahrelang in Asyl- und Übergangsheimen auf das erlösende Dokument gewartet. Für Roya fehlt nun in ihrem neuen Zuhause nur noch ein Haustier und als das kleine weiße Zwergkaninchen Mischka bei ihnen einzieht, ist Royas Glück vollkommen. Mischka ist schnell der flauschig- weiche Mittelpunkt der Familie, Mischka wird mit Zärtlichkeit überhäuft,  ihm kann man alles erzählen, über das niemand zu sprechen wagt. Und so wird das kleine weiße Zwergkaninchen plötzlich zum Katalysator, der das große Schweigen in der Familie über die traumatischen Fluchterfahrungen bricht. Endlich können die verletzten Seelen sich öffnen und alle ungeweinten Tränen heilend fließen.

Ein zu Herzen gehender Kinderroman über Flucht, Heimatlosigkeit und Traumabewältigung in großer Schrift mit berührenden ganzseitigen Illustrationen, gerne empfohlen für Kinder ab 8

(Christine Heymer)

 

 

 

 

Woelk, Ulrich: Mittsommertage

C.H. Beck Verlag
ISBN: 978-3-406-80652-0
25,00 Euro

Eine Woche im heißen Sommer 2022 in Berlin bringt das Leben einer erfolgreichen Professorin zum Bersten. Aktuelle politische Ereignisse verquicken sich mit ihrer Vergangenheit und drohen ihre Karriere und ihre Ehe zu Fall zu bringen.

Ruth Lember ist fast am Ziel ihrer privaten und beruflichen Träume. Verheiratet mit einem erfolgreichen Architekten, gut vertraut mit dessen Tochter aus erster Ehe, geachtete Professorin für Angewandte Philosophie und nun vorgeschlagen für die Mitgliedschaft im Deutschen Ethikrat.
Was will man mehr!?
Doch dann wird sie am ersten Tag der unseligen Woche Ende Juni 2022 auf der morgendlichen Joggingrunde von einem Hund ins Bein gebissen. Dieser Vorfall bringt sie sprichwörtlich ins Straucheln und zieht weitere Irritationen im Takt der Wochentage nach sich. Ein Freund aus Studienzeiten taucht unerwartet auf. Es flammen Erinnerungen an die alte Liebe sowie die gemeinsame – absolut illegale - politische Protestaktion im Studentenmilieu der 1980er Jahre auf. Kann das eine ihrer Ehe und das andere gar ihre beruflichen Ambitionen gefährden?
Ein Roman, der Privates, Berufliches und Aktuellpolitisches dermaßen spannend verknüpft, dass man versucht ist, nach dem ersten Viertel des Buches die letzte Seite zu lesen.
Wovon, wie immer, abzuraten ist.

Mittsommertage – auch für herbstliche Sofaabende eine absolut empfehlenswerte, hochaktuelle Lektüre.

( Christa Dresbach-Schnieder)

 

 

 

Latronico, Lorenzo: Die Perfektionenn

Claassen Verlag 2023. 128 Seiten
ISBN: 978-3-546-10069-4
22,00 Euro

Ein junges Paar aus der digitalen Kreativszene will in Berlin seine Vision von Freiheit und Authentizität leben

Berlin, Stadt der Freiheit und des Überflusses, eine Stadt, vibrierend in pulsierender Aufbruchstimmung, ist der Sehnsuchtsort der jungen, kreativen digitalen Freelancer Anna und Tom. Nach dem Studium verlassen sie ihre provinzielle italienische Heimatstadt auf der Suche nach dem perfektem Leben, makellos wie die Bilder in den
sozialen Medien, in denen Tom und Anna sich teils aus beruflichem, teils privatem Interesse verlieren.

Wirklich ankommen in Berlin werden Tom und Anna jedoch nicht; die besondere Geschichte Berlins und die
Lebenswirklichkeit der Berliner bleiben den beiden, die sich in einer Blase junger Expats aus ganz Europa in Berlins angesagtesten Hotspots bewegen, fremd. 

Tom und Anna verkörpern die Verlorenheit der Digital- Native- Generation, in deren innerer Landschaft sich
durch ihr Aufgehen in der imaginären Wirklichkeit des Internets zunehmende Leere ausbreitet angesichts der Diskrepanz zwischen den Perfektionen der Bilderwelt und der Unvollkommenheit ihrer Realität..

( Christine Heymer)

 

 

 

 

Juli Zeh. Simon Urban: Zwischen Welten

Luchterhand 2023. 448 Seiten
ISBN: 978-3-630-88741-9
24,00 Euro

Ein höchst emotionaler Briefroman in modernem digitalen Gewand, der nicht nur das Thema Polarisierung in unserer Gesellschaft aufgreift, sondern selbst polarisiert

Vor zwanzig Jahren haben Theresa und Stefan zusammen in Hamburg Germanistik studiert. Ihre tiefschürfenden, leidenschaftlichen Gespräche am Küchentisch ihrer kleinen WG und ihre intensive platonische Freundschaft fanden ein jähes Ende, als Theresa plötzlich ihr Studium abgebrochen hat, um nach dem dem Tod ihres Vaters den Bauernhof der Familie in einem kleinen Dorf in Brandenburg zu übernehmen. Stefan hat sein Studium beendet, ist in der Großstadt geblieben und inzwischen Kulturchef der großen Wochenzeitung „ Der Bote“.
Ihr überraschendes Wiedersehen in Hamburg nach zwei Jahrzehnten endet zwar in einem Desaster, trotzdem spüren beide noch ihre alte Verbundenheit und beginnen in Erinnerung ihrer einstigen Küchentisch- Gespräche einen intensiven Email- und Whatsapp- Austausch. Da beider Leben in so unterschiedlichen Welten spielt, hier die Familienfrau im bio-bäuerlichen Umfeld, dort der hippe Großstadtsingle in seiner Kulturblase, prallen gegensätzliche Weltsichten mit Wucht aufeinander. Theresa und Stefan lassen kein Reizthema aus: Klima- und Weltpolitik, Gendern, Gleichberechtigung und toxische Männlichkeit, Rassismus, Agrarbürokratie und ganz besonders die Macht der sozialen Medien und die Spaltung der Gesellschaft. 
Der Roman zeigt, wie grundverschieden die Perspektiven auf kontroverse Themen sein können und fragt, wie wichtig konstruktiver Streit und Diskussionen für unsere Demokratie sind. Gibt es überhaupt noch die für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft so essentiell wichtige faire und offene Debattenkultur in Deutschland? Die Bestsellerautorin Juli Zeh, Juristin und Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, und der Journalist und Werbetexter Simon Urban haben „Zwischen Welten“ gemeinsam geschrieben. Entstanden ist ein lesenswertes Werk, das die spannende Frage offen lässt, welche Passagen aus wessen Feder stammen. Den Autoren gelingt mit diesem hochaktuellen Briefroman auf jeden Fall ein Beitrag zur Diskussion der Befindlichkeiten unserer Gesellschaft.

( Christine Heymer)

 

 

Ulrich Parzany: Jesus vertrauen – aus gutem Grund

SCM Hänssler 2021. 203 Seiten
ISBN: 978-3-41722-995-0
17,99 €

Gottes klare Zusage für unser Leben entdecken

Dieses Buch ist ein sehr gutes Buch; von einem für mich total authentischen, menschennahen Pfarrer i.R.  geschrieben. Es eignet sich meiner Ansicht nach auch gut für Menschen, die keinen Glaubenshintergrund haben und zeigt in Einfachheit die Kostbarkeit des Glaubens an Jesus Christus und des Vertrauens auf Ihn auf. Es ist sehr erfrischend zu lesen. Es geht auf DIE Fragen schlechthin ein, die sich gefühlt jeder mal (ge)stellt (hat), wie bspw. „Warum lässt Gott das alles zu?“, „Kann denn Liebe Sünde sein?“, „Was kommt nach dem Tod?“, aber auch auf einige andere interessante Fragen. Es lohnt sich und ist meiner Meinung nach auch keine „schwere Kost“, sondern einfach zu lesen und zu verstehen.
( Annette Scholl)

 

 

 

 

 

 

 

Martin Suter: Melody

Diogenes Verlag
ISBN: 978-3-257-07234-1
26,00 Euro

Elegant erzählte Komposition um eine Lebenslüge und die Kunst der Täuschung

Der todkranke, reiche und mächtige Grandseigneur der Schweizer Society, ehemaliger Nationalrat, Kunstmäzen, erfolgreicher Anwalt Dr. Peter Stotz, stellt zur Sichtung seines Nachlasses den jungen Anwalt Tom ein, der bisher eher perspektivlos durch sein Leben getrudelt ist. Die Bedingungen sind nicht verhandelbar: Tom unterliegt dem Anwaltsgeheimnis, wohnt in der Villa seines Arbeitgebers und soll mit seiner Arbeit sicherstellen, dass nach Stotz´ Tod ein ausschließlich positives Bild von ihm vermittelt wird. 
Eine ungewöhnliche Arbeitsstelle tritt Tom hier an, bei der er völlig von Dr. Stotz vereinnahmt wird: gemeinsame Abendessen, regelmäßige „ Kamingespräche“, in denen er viele intime Details aus dem Leben des greisen Dr. Stotz erfährt. Und schon ziemlich bald wird klar, dass Tom nicht eingestellt wurde, um den geschäftlichen Nachlass zu regeln, sondern dass die unerfüllte Liebe zur rätselhaften jungen Marokkanerin Melody, die überall im Haus auf Bildern, Gemälden und Devotionalien präsent ist, das einzig Wichtige im Leben des Dr. Stotz ist. Vor 40 Jahren, kurz vor ihrer lange geplanten Hochzeit, ist Melody verschwunden und alle Spuren, denen der verzweifelt Liebende nachgegangen ist, führten ins Leere.  
Aber sagt Dr. Stotz die Wahrheit?
Für Tom tun sich viele Fragen auf. Als Dr. Stotz überraschend stirbt, auf seinem Lieblingssessel, 2 Gläser Rotwein auf dem Tischchen vor sich, umgeben von Bildern der schönen jungen Melody, gehen Tom und die Großnichte des Verstorbenen, Laura, den Spuren von Melody nach.
Der Roman ist ein raffiniertes Spiel mit Realität und Fiktion, es geht um Schuld und Sühne, um Lebensträume und um die große Liebe.
Eine klug auf mehreren Handlungsebenen miteinander verwobene, amüsant zu lesende Geschichte,  spannend bis zum überraschenden Schluss.
( Christine Heymer)

 

 

 

Anna- Maria Caspari: Ginsterhöhe

Ullstein Paperback 2022. 400 Seiten
ISBN: 978-3-86493-202-1
17,00 Euro

Spannende Familiensaga, die den Blick auf ein wichtiges Stück neuerer deutscher Zeitgeschichte lenkt

Als der junge Landwirt Albert Lintermann 1919 mit einem durch Granatsplitter entstellten Gesicht aus dem Krieg in sein Heimatdorf Wollseifen in der Eifel zurückkehrt, ist nichts mehr wie es vorher war. Seine Frau zieht sich, von seinem Aussehen abgestoßen, von ihm zurück, der Hof der Familie leidet unter den Folgen des Krieges und seinen Platz in der Dorfgemeinschaft muss sich Albert erst zurückerobern. Noch schwieriger wird es für Albert, als sich in den frühen 1930er Jahren die Nationalsozialisten für das Dorf interessieren. Auf dem Berg Erpenscheid oberhalb des Dorfes errichten sie mit viel nationalsozialistischem Pomp die Burg Vogelsang, eine Elite- Schulungsstätte für den NSDAP-Nachwuchs.
Vor dem real- historischen Hintergrund der tragischen Geschichte des inzwischen verschwundenen Eifeldorfes Wollseifen umspannt die Familiensaga die Schicksalsjahre 1919- 1949 der fiktiven Bauernfamilie Lintermann.
Ein mitreißender Roman im Kontext der Schrecken der beiden Weltkriege, informativ gestaltet mit Landkarte und historischen Fotos in den Umschlagklappen
( Christine Heymer)

 

 

 

Arno Frank: Seemann vom Siebener

Tropen Verlag
ISBN: 978-3-608-50180-3
24,00 Euro

Sommerroman um Träume und Sehnsüchte, Liebe und Freundschaft, Alter und Vergänglichkeit mit nostalgischem Freibad- Flair

Vor Jahrzehnten hat Architekt Rüdiger Trautheimer das Freibad im Provinzstädtchen Ottersweiler um die alte Linde herum gebaut. Noch heute geht seine Witwe, die pensionierte Lehrerin Isobel, jeden Tag dort schwimmen, lässt sich von ihren Erinnerungen in die Vergangenheit tragen und genießt die immergleiche entspannte Freibadatmosphäre.
Schon immer ist Bademeister Kiontke hier im Dienst und gehört zum Inventar wie Kassiererin Renate.

Der letzte Ferientag im Freibad ist  ein Tag wie jeder andere, sommerleicht und wasserblau, und doch ein besonderer: für den erfolgreichen Fotokünstler Lenny, der zur Beerdigung seines Freundes Max in die Heimat gereist ist und hier seine Jugendliebe Joe wieder trifft, die namenlose Ich- Erzählerin, die mit einem Kopfsprung vom Siebener ein Trauma überwinden will, für Kiontke, der immer noch wegen eines schlimmen Unglücks im Bad unter Schuldgefühlen leidet.

Geschickt werden Lebensgeschichten miteinander verwoben und machen das Freibad zu einem schicksalshaften Ort.

Mit feinem Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen erschafft der auf einen Tag im Freibad zentrierte
Roman einen gesellschaftlichen Mikrokosmos: Gute  Unterhaltung

Christine Heymer

 

 

 

Jan Weiler: Der Markisenmann

Heyne 2022
ISBN: 978-3-453-42749-5
12,00 Euro

Wer braucht im Ruhrpott Markisen, noch dazu so hässliche - wie die scheinbar liegengebliebenen vom Ramschtisch der siebziger Jahre? - Jeder, der einen Balkon hat!

Diese Logik wird Kim, pubertierende Tochter getrennt lebender Eltern, eindrücklich lernen. Sie muss die Sommerferien mit ihrem Vater, den sie bisher nicht kannte, in dessen bescheidenem Zuhause im brütend heißen Duisburg verbringen. Und mit ihm Markisen verkaufen.
Ronald Papen, Kims Vater, lebt mehr schlecht als recht vom brutalen Haustürgeschäft und vertickt Markisen, Modell „Stockholm“ oder „Mumbai“ aus den Altbeständen der ehemaligen DDR. Lagerraum und Wohnung sind fast eins – Papen teilt sich mit seinen Markisen eine Lagerhalle; da tut ein zotteliger Vorhang gute Dienste. 

Dabei hätten Kims Sommerferien so schön werden können – mit Mutter, Stiefvater Heiko und Stiefbruder Geoffrey in Florida am Pool eines standesgemäßen Ferienhauses.
Doch Kim darf nicht mit, weil sie auf Heikos protziger Grill-Party aus Wut über den kleinen Geoffrey ausrastet und diesen in einer Kurzschlusshandlung fast ums Leben bringt.
Die Mutter erinnert sich an Kims Erzeuger und schiebt sie zur Strafe kurzerhand nach Duisburg-Meiderich ab. So entschlossen wie hilflos.

Und nun stehen Kim sechs Wochen Ruhrgebiet bevor, als Verkaufsbegleitung ihres Vaters in dessen schrottreifem Kombi; die Abende verbringt sie mit seinen Freunden in „Rosis Pilstreff“. So schockierend der Milieuwechsel für Kim auch ist, so überraschend ist dann die Dynamik, die sich zwischen Vater und Tochter entwickelt. Kim lernt schnell, dass hier das wahre Leben spielt und lernt es zu genießen. Auf den Fahrten kreuz und quer durchs Revier planen die beiden kreative Verkaufsstrategien. An den Haus-und Etagentüren dann verhilft Kim beim Verkaufsgespräch ihrem Vater zu verblüffenden Erfolgen durch ihre pfiffigen Ideen und staunt selbst über das, was in ihr steckt.
Im Verlauf ihrer ungewollten Duisburger Sommerferien lernt sie nicht nur ihren bisher verschollenen leiblichen Vater im Tiefen kennen, sondern sie erfährt auch das Geheimnis um das Scheitern der Beziehung ihrer Eltern, deren tiefe Entfremdung, warum gerade Heiko Mamas neue Liebe wurde - und wie es gelingen kann, all dies verständnisvoll in die Hände zu nehmen und zu begreifen.
Aus der zarten Liaison mit Alik, einem Jungen russisch-tunesischer Abstammung, mit dem sie am Kanal abhängt, wird leider nicht die große Liebe. Aber das macht nichts. Kim hat so viel erfahren und gelernt – da kann sie dies verkraften.
Sie kam als verwöhntes Gör und fährt als reifes junges Mädchen am Ende der Ferien zurück nach Hause.

Jan Weiler entwickelt mal schreiend komisch, mal melancholisch, immer aber mit tiefem, liebevollen Blick auf seine Protagonisten einen Roman über Schuld, Verantwortung, Familiengeheimnisse und wie eine 15-Jährige in sechs Wochen erwachsen wird.

Mein Buch des Jahres.
Seit Neuestem als Taschenbuch.
(Christa Dresbach-Schnieder)

 

 

 

Sabine Peters: Ein wahrer Apfel leuchtete am Himmelszelt

Wallstein Verlag 2020
ISBN: 978-3-8353-3848-7
20,00 Euro

Sensibel erzähltes Erinnerungskaleidoskop an eine westdeutsche Kindheit in den sechziger und siebziger Jahren

Die vier Schwestern Jutta, Barbara, Marie und Katrin wachsen behütet und geliebt in einer bildungsbürgerlichen Familie erst in ländlich provinzieller, später städtischer Umgebung auf. 
Die 1960er und 70er Jahre mit ihren festgefügten sozialen Normen und die religiöse Erziehung in einem katholischen Elternhaus prägen die Erfahrungswelt der Kinder.
Aus der kindlichen Perspektive von Marie, der drittgeborenen Schwester, werden in kurzen, episodischen Kapiteln Begebenheiten und Beobachtungen fragmentarisch erzählt.
Der Schulweg, ein Zahnarztbesuch, eine Karnevalsfeier, Ferienerlebnisse,
der Besuch der ungeliebten Oma Hanna, der Tod von Großmutter Mamatschti und immer
wieder Erlebnisse mit den Schwestern, mit Mutter und Vater. 
Der Roman ist ein wunderbar bilderreiches Mäandern durch die Räume der Erinnerung, in denen Gefühle und Gedanken, Töne und Farben, Geruch und Geschmack der Kindheit wieder lebendig werden und entfaltet zugleich ein einfühlsames zeitgeschichtliches Panorama des konservativ- bürgerlichen Lebens in der noch jungen Bundesrepublik.
Das mit feinem poetischen Gespür erzählte vielschichtige Familien- und Zeitgemälde der im Jahr 2005 für ihren Roman „ Abschied“ mit dem Evangelischen Buchpreis ausgezeichneten Autorin ist dichter literarischer Genuss der leisen Töne.

Besuchen Sie uns gerne im Buch+Welt-Laden.
Neben aktueller Erwachsenenliteratur führen wir für unsere jungen und jüngsten Leser*innen die ganze Bandbreite guter Kinder- und Jugendliteratur: zauberhafte Geschichten für die Kleinsten, Kinderklassiker, die schon Oma und Opa liebten, Jugendliteraturpreisbücher und vieles mehr…. Ob unterhaltsam, anspruchsvoll, lustig, spannend, pädagogisch wertvoll oder informativ, hier ist ( Vor-) Lesevergnügen garantiert!

 

 

 

Adriana Altaras: Besser allein als in schlechter Gesellschaft

KiWi 2023. 240 Seiten

ISBN: 978-3-462-00424-3

22,00 Euro

Ein Buch, das guttut. Beim Lesen musste ich immer mal schmunzeln

Adriana Altaras erzählt von ihrer 99jährigen, eigensinnigen Tante, die sie sehr liebt, bei der sie aufgewachsen ist und die sie während des Coronalockdowns nicht im Pflegeheim in Italien besuchen darf.

Adriana lebt in Berlin und erzählt von sich und ihrem chaotischen Leben. Es ist die Geschichte von zwei einsamen Frauen und trotzdem sehr lustig, eine Mischung aus sehr komisch und unterschwellig melancholisch. Erzählt wird aus beider Perspektiven, mal Adriana- mal die Tante. Die beiden telefonieren jeden Tag und erzählen sich etwas, jedoch so laut, da die Tante schlecht hört.

Es ist schön den beiden Generationen zuzuhören. Gedanken übers "alt werden" - "übers loslassen".

Das Leben ist, was es ist. Es gibt Höhen, es gibt Tiefen. Durch beides muss man durch.

 

( Rita Engelberth )

 

 

 

Notker Wolf: Warum lassen wir uns verrückt machen?

Bonifatius Verlag 2022. 208 Seiten

ISBN: 978-3-89710-908-7

22,00 Euro

Wo die Ängstlichen den Ton angeben, wird Angst zur Tugend. Dann werden die Furchtsamen zu Helden und die Furchtlosen zu Verrätern (Notker Wolf).

Wer war noch gleich Notker Wolf? Nicht alle kennen den E-Gitarre spielenden Mönch, der mit Deep Purple auf der Bühne Smoke on the water rockte. Er spielt in einer anderen Liga als Anselm Grün, Deutschlands bekanntester Mönch nach Martin Luther. Heute braucht man mindestens zwei Mönche, um Luthers Profil abzudecken: einen für die Frömmigkeit (Anselm Grün) und einen für Luthers Klartext. Dafür steht Notker Wolf u.a. mit seinem jüngsten Buch.

Es geht um das Phänomen ‚Deutsche Angst‘,  und in seinem ersten Kapitel fragt Notker, ob er noch normal sei, weil er keine Angst habe. Anlass für das Buch war die Corona-Pandemie, in der die Deutsche Angst die seltsamsten Bestimmungen hervorbrachte. Ob er keine Angst habe, wurde Notker von einem Mitbruder gefragt, und er sagte, dass er weder Angst vor dem Tod noch vor dem Leben habe. Damit machte er sich natürlich verdächtig bzw. zum Verräter in einer von Ängstlichen regierten Gesellschaft. In den Kapiteln seines Buches begründet er seine Angstlosigkeit mit dem Glauben an Jesus, den er in seiner Menschlichkeit als Provokateur und Mainstream-Gegner zeichnet, der absurde Regeln bricht. Er wolle die menschliche Seite Jesu zeigen, sagt Notker. Am Ende seines Buches aber ist man überzeugt: gerade darin zeigt sich seine Göttlichkeit, und wer sich nicht von ‚Deutscher Angst‘ regieren lässt, ist auf einem göttlichen Weg.

Ein Trostbuch für alle, die sich aufgrund ihrer Nicht-Ängstlichkeit und ihrer eigenen Meinung zu Unrecht in die Schublade von Verschwörungstheoretikern, AfD-Wählern und Putin-Verstehern gesteckt sehen. Es tut gut, Rückendeckung von einem Mönch zu erhalten. Luther lebt ja nicht mehr, der den Herrschenden die Stirn bieten könnte.

Notker bietet den Mächtigen jedoch nicht die Stirn, sondern plädiert in seinem letzten Kapitel dafür, mit den Nicht-Ängstlichen und Andersdenken so umzugehen wie der barmherzige Vater mit seinem verlorenen Sohn. Ein sanfter Abschluss für einen Rock-Musik-Mönch. Etwas anderes würde aber ja nur Öl ins Feuer gießen. Ob die Spaltung der Gesellschaft jedoch überwunden wird, indem sich Promis auf die eine oder andere Seite schlagen, bleibt offen. 

( Jochen Gran )

 

 

 

 

Amanda Jenkins, Kristen Hendricks, Dallas Jenkins:

Unterwegs mit Jesus

SCM R. Brockhaus 2022. 240 Seiten

ISBN: 978-3-417-00044-3

18,00 Euro

Die Welt ist nicht gerade nett zu Leuten, die glauben, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist.

Das Leben Jesu ist zigmal verfilmt worden, von Nicholas Ray ‚König der Könige‘ (1961), Mel Gibson ‚Passion Christi‘ (2004), Rodrigo Garcia ‚40 Tage in der Wüste‘ (2015), um nur einige zu nennen. Die jüngste Verfilmung des Lebens Jesu heißt ‚The Chosen‘ von Dallas Jenkins. Der Film ist im Format von Netflix-Staffeln gedreht worden und hat inzwischen viele berührt und begeistert. Aber dabei soll es nicht bleiben. Berührt zu werden ist das eine, Jesus nachzufolgen das andere.
Der Filmemacher Dallas Jenkins geht in seinen Büchern der Frage nach wie Nachfolge Jesu konkret aussieht. Das erste Buch trägt den Titel ‚Von Jesus gerufen‘, das zweite ‚40 Tage mit Jesus‘. Sein jüngstes Buch steht unter der Überschrift ‚Unterwegs mit Jesus‘. In 40 kurzen und schön zu lesenden Andachten stellt er dar wie Nachfolge Jesu heute konkret aussieht. Am Anfang steht ein kurzer Bibeltext aus dem Neuen Testament, dann erfolgt eine kurze Auslegung mit teils interessanten Hintergrundinformationen, den Schluss bilden ein Gebetsimpuls (Gebetsfokus) und Hinweise zum weiteren Nachdenken (Die nächsten Schritte).
Die Zahl 40 ist natürlich kein Zufall, sondern nimmt Bezug auf die 40 Tage, die Jesus in der Wüste verbrachte, wo er Anfechtungen erlitt und Versuchungen widerstehen musste. Nachfolge Jesu ist auch heute kein Sonntagsspaziergang.
In seinem Vorwort schreibt Jenkins: ‚die Welt ist nicht gerade nett zu Leuten, die glauben, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist‘. Das Thema Nachfolge Jesu ist schon oft bearbeitet worden, z.B. von Thomas von Kempen ‚Nachfolge Christi‘, Sören Kierkegaard ‚Einübung im Christentum‘ und Dietrich Bonhoeffer ‚Nachfolge‘, bis hin zu Ulrich Parzany (Christ.Glauben.Leben).

Zugegeben: der amerikanische Stil von ‚Unterwegs mit Jesus‘ ist nicht jederfrau Sache, aber die Amerikaner gehen Glaubensfragen oft pragmatischer an als deutsche Theologen. Das muss man ihnen zugutehalten. Und so kann ich nicht nur die Staffeln von ‚The Chosen‘ empfehlen, sondern auch die vertiefenden Bücher von Dallas Jenkins; denn – wie gesagt – berührt zu werden ist das eine, Jesus konkret nachzufolgen das andere. Das Buch ist übrigens leicht zu finden, weil das Cover im Corporate Design von ‚The Chosen‘ gehalten ist, in den Farben schwarz und lindgrün. 

(Jochen Gran)   

 

 

 

Andrea Karimé. Ill. Anna Lisicki-Hehn:
Alle Kinder Bibel

Neukirchener Verlagsanstalt 2023
ISBN: 978-3-7615-6903-0
15,00 Euro

„Und alle waren verschieden. Und alle waren besonders.“
Diese Aussage aus dem Schöpfungsbericht -der ersten von 21 Geschichten – zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Kinderbibel.

Von der Erschaffung der Welt bis zum Galaterbrief entwickeln die Autorin und die Illustratorin Kernaussagen der Bibel in einfühlsamer, humoriger und verblüffend anderer Weise, als wir es aus traditionellen Kinderbibeln kennen. Herrlich bebilderte Texte lassen die Kinder staunen und Erwachsene schmunzeln.
So hat etwa Eva mitnichten die üblicherweise dargestellte zarte Model-Figur, sondern reitet pummelig auf einem Esel durchs Paradies. Moses hat beim langen Weg durch die Wüste ein kleines Mädchen an der Hand und das Jesuskind in der Krippe ist kein blondgelockter Junge, sondern schwarz. Alle im Stall sind „People of colour“.
Frauen spielen in den Geschichten entscheidende Rollen und auf den Festen geht es orientalisch rummelig zu.

Die Idee zu dieser Bibel entstand auf einer Konferenz der Vereinten  Evangelischen Mission (VEM). Sie soll das Bewusstsein für die weltweite Christenheit schärfen, weg vom eurozentristischen Menschenbild, weg von rassistischen Deutungen der biblischen Personen - hin zu einer diversen, multikulturellen Abbildung der Gesellschaft. Dies gelingt durch eine einfache, kindgerechte und inklusive Sprache. Die Bebilderung der Geschichten ist witzig, eingängig und wird durch - in die Bilder gemalte - Kernworte in über zwanzig Sprachen bereichert.  
Ein Vorwort beschreibt die Idee zu dieser Kinderbibel und ein Nachwort erläutert den erwachsenen Vorleserinnen und Vorlesern das Konzept zum Buch.
Längst überfällig ist diese Alle Kinder Bibel!

( Christa Dresbach-Schnieder)

 

 

 

Eckhart Nickel:  Spitzweg

Piper Verlag 2022  

ISBN: 978-3-492-07143-7

22,00 Euro

Der fantasievolle doppelbödige Roman, ein literarisches Vexierspiel mit Kunst und Künstlichkeit, wurde 2022 für die Shortlist des Deutschen Buchpreises nominiert.

Ausgerechnet an dem Tag als der "Neue", Carl, zum ersten Mal im Kunstkurs des Abiturjahrgangs erscheint, kommt es zu einem Eklat: Die Kunstlehrerin verletzt Kirsten, die begabteste Schülerin des Kurses, durch einen bissigen Kommentar so sehr, dass das Mädchen fluchtartig den Raum verlässt. Carl, ein überaus intelligenter und gebildeter junger Mann, ersinnt mit seinem Klassenkameraden, dem namenlosen Ich-Erzähler, einen Rachefeldzug gegen die Lehrerin. In einem klugen und überraschenden Plot spielt der Autor mit Raum und Zeit und lässt den scheinbar aus der Zeit gefallenen Carl durch die geistesgeschichtlichen Epochen von Romantik bis Gegenwart wirbeln. Im Taumel der ersten großen Liebe erleben die drei weit über ihren Horizont hinaus strebenden jugendlichen Protagonisten Carl, Kirsten sowie der Ich-Erzähler eine prägende Phase des Erwachsenwerdens in einem hintersinnigen Verwirrspiel um die lebensverändernde Kraft der Kunst. Ein großes, atmosphärisch dichtes Lesevergnügen nicht zuletzt wegen der sehr gewählten, charmant-antiquierten bildungsbürgerlichen Sprache.

( Christine Heymer)

 

 

 

 

 

Meyer, Axel S. : Der Sonne so nah

Kindler 2023. 479 Seiten
ISBN: 978-3-463-00033-6

24,00 Euro

Unterhaltsamer historischer Roman über die genialen Wegbereiter der modernen Aeronautik Otto Lilienthal und Ferdinand Graf von Zeppelin

Ende des 19. Jahrhunderts begann mit den beiden Visionären und Erfindern Otto Lilienthal und Ferdinand Graf von Zeppelin das Zeitalter der Luftfahrt.

Die Lebensjahre Otto Lilienthals 1848- 1896 bilden den Handlungsrahmen dieses spannenden und informativen historischen Romans, der auch weniger technikaffinen Leser*innen die Wegbereiter der modernen Luftfahrt, Lilienthal und von Zeppelin, in ihrem familiären und zeitgeschichtlichen Kontext nahebringt.

Otto Lilienthal, der aus ärmlichen Verhältnissen stammende brillante Ingenieur, hatte sich schon als Kind für das Fliegen begeistert. Nach dem Vorbild des Vogelfluges konstruierte er mit seinem Bruder Gustav das erste Fluggerät nach dem Prinzip Schwerer als Luft, mit dem sein „ Normalsegelapparat“ durch den Auftrieb an den Tragflächen durch die Luft getragen wurde.

Ein Anhänger des Prinzips Leichter als Luft war der ehemalige General Ferdinand Graf von Zeppelin, der mit Hilfe von Gas das erste lenkbare Luftschiff durch den „ Luftozean“ fahren ließ.

Der Historiker Axel S. Meyer zeichnet im Rahmen der geschichtlich gesicherten Fakten ein anschauliches Bild der beiden leidenschaftlichen Flieger und färbt dieses mit einer einfallsreichen Portion Phantasie bunt und lebendig.

Lesenswert! 

( Christine Heymer)

 

 

 

Oskamp, Katja: Marzahn mon amour. Geschichten einer Fußpflegerin

Suhrkamp 2021. 143 Seiten
ISBN: 978-3-518-47131-9
10,00 €uro

Wenn die Autorin mit Mitte vierzig nicht diese zermürbende Erfolgsflaute in der Schreiberei gehabt hätte, wäre sie nicht gezwungen gewesen, sich für einen "Geldjob" als Fußpflegerin im zweiten Bildungsweg ausbilden zu lassen. Und wir hätten dieses wunderbare Büchlein nie zu lesen bekommen. Unser Glück in ihrem Unglück sozusagen.


Katja Oskamp sattelt aus der Not heraus um, denn sie muss ihre kleine Familie ernähren. Sie lernt das Handwerk der Fußpflege und steigt in Marzahn - der größten Plattenbausiedlung Berlins - in ein Kosmetikstudio ein. Ihre Chefin Tiffy pflegt Gesichtshaut, die Kollegin Flocke Fingernägel und sie selbst nun eben Füße. Drei Frauen, die sich sehr nah ran trauen an die Kundschaft.
Und das bedingt wohl, dass sie mit den Jahren die Lebensläufe ihrer redseligen Stammkundinnen und -kunden kennenlernen.
Die Autorin beschreibt in einer ungeheuren Spannung zwischen Witz und Einfühlung, was sie während dem Nägelschneiden und Hornhautraspeln erfährt. Da ist Frau Guse, die sich kaum etwas gönnen kann mit ihrer kleinen Rente, aber auf den Termin bei der Fußpflege niemals verzichten würde. Da ist Herr Pietsch, der sich schwer von seiner Vergangenheit als DDR-Parteifunktionär verabschieden kann und der Fußpflegerin mit seinen Parolen allerhand Toleranz abverlangt. Da sind Mutter und Tochter Noll, die stets im Doppelpack erscheinen. Kaum auszuhalten ist der garstige Ton der frechen Tochter, aber beim Füßebaden darf das alte Mütterchen sich mit geschlossenen Augen einmal verwöhnen lassen. Ach, und dann ist da noch ... und ... und...
Sie alle schütten der Fußpflegerin ihr Herz aus. Und diese behandelt sie und spricht mit ihnen in einer Weise, die einem das Herz erwärmt.
Wessen Würde im Leben zertreten wurde, bekommt sie im Fußpflegestudio in Berlin-Marzahn neu geschenkt.
Dieses kleine Buch hat der Autorin schließlich dann doch noch zum Schriftsteller-Erfolg verholfen. Wie schön!

(Christa Dresbach-Schnieder)

 

 

 

Finder, Rena: Ich überlebte. Ein Mädchen auf Schindlers Liste
Carl Hanser Verlag 2022. 112 Seiten
ISBN: 978-3-446-27238-5
15,00 Euro

Zutiefst erschütternde Autobiographie einer Holocaust- Überlebenden über ihr Schicksal als polnische Jüdin zur Zeit des Nationalsozialismus

 

 

 

Die 1929 geborene und behütet in großbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsene Rena wird als 11jährige mit ihrer Familie ins Krakauer Ghetto verschleppt, wo Angst, Willkür und Gewalt ihr Leben bestimmen. Dass das Mädchen und seine Mutter die Chance bekommen, in Oskar Schindlers Fabrik zu arbeiten, rettet ihnen das Leben. Voll Dankbarkeit und Bewunderung erinnert sich Rena Finder an Oskar Schindler und seine Frau, denen es gelang, ihre 1200 jüdischen Arbeiter mit erheblichem persönlichen Einsatz vor der Vernichtung durch die Nazis zu bewahren.

Nach dem Krieg emigrierte Rena Finder in die USA und klärt seit Jahrzehnten als Zeitzeugin an Schulen, Universitäten und Synagogen über den Vernichtungsfeldzug der Nazis gegen das jüdische Volk auf.

Ihre sehr persönlichen, aufwühlenden und tief berührenden Erinnerungen an den Holocaust sind ein eindringlicher Appell, sich gegen Antisemitismus und gegen das Vergessen zu engagieren. 

All-age- Buch für Leser*innen ab 12 Jahren

(Christine Heymer)

 

 

 

Wieners, Annette: Die Diplomatenallee
Blanvalet 2022. 448 Seiten
ISBN: 978-3-7645-0775-6
22,00 Euro

Ein spannendes und lesenswertes Buch für alle, die sich auf eine bislang eher schwach ausgeleuchtete Episode deutsch-deutscher Geschichte einlassen wollen.

Heikes Kindheit und Jugend sind von Gewalt und einem traumatischen Erlebnis geprägt. Einzig ihr Bruder Johann und ihr Graphologieprofessor Erik Buttermann geben ihr Halt. Als nach einem dramatischen Ereignis Johann verschwindet und Buttermann sie fallenlässt, wendet Heike sich von ihrer vielversprechenden Karriere als Graphologin ab. Sie führt fortan in einem Reihenhaus in Bonn ein biederes, unauffälliges Leben mit Ehemann und zwei Kindern und hilft im familieneigenen Schreibwarenladen mit.
Als im Frühjahr 1974 die Vorbereitungen für die Eröffnung der Ständigen Vertretung der DDR in der Bundeshauptstadt anlaufen, wird Heike von ihrer Vergangenheit eingeholt. Unversehens finden sie und ihre Familie sich in einem Netz aus Lügen, Intrigen und den undurchsichtigen, bedrohlichen Machenschaften konkurrierender Geheimdienste wieder.

Annette Wieners erzählt eindringlich und sensibel, wie das Gefüge einer Familie durch politische Wirren,    Verrat und Skrupellosigkeit ins Wanken gerät. In die heile Reihenhaus-Welt dringen plötzlich Lügen und Zweifel ein. Wo ist Misstrauen angebracht - und wo beginnt Paranoia? Wem kann man überhaupt noch vertrauen? Für die Protagonisten lässt sich das im Laufe nur weniger Wochen immer schwieriger ausloten. 

Die Charaktere der kühlen, stets kontrollierten und distanzierten Heike, ihres zwischen Selbstzweifeln, Freiheitsdrang und verzweifelter Liebe zu seiner Frau hin- und hergerissenen Mannes Peter und des etwas dubiosen, seine eigenen Kämpfe ausfechtenden Professors werden authentisch gezeichnet.

Die Sprache ist einfühlsam und präzise - Wendungen und Formulierungen aus der Zeit, in der sich die Handlung abspielt, lassen sie zudem lebendig wirken.

Sowohl die historischen Hintergründe, als auch die theoretischen Grundzüge der Graphologie werden gut recherchiert wiedergegeben.

(Elisabeth Bühn)

 

 

 

Nürnberger, Christian: Keine Bibel
Gabriel Verlag 2020. 240 Seiten
ISBN: 978-3-522-30541-9
15,00 Euro

Der Autor der großartigen Lutherbiographie "Der rebellische Mönch, die entlaufenen Nonne und der größte Bestseller aller Zeiten" verbindet mit seinem neuen Buch erneut theologischen Sachverstand mit Sprachgewandtheit, Wortwitz und der Leichtigkeit, komplexe Zusammenhänge verständlich zu erklären.

Der etwas verstörende Titel "Keine Bibel" mag als die bescheidene Beschränkung des Autors zu verstehenden sein, sowohl Insidern als auch Bibel-Neulingen die wichtigsten Geschichten und Inhalte des Alten und Neuen Testamentes,Texte aus zweieinhalb tausend Jahren also, zusammenzufassen und zu erklären.
Dabei gelingt es ihm, die uralten Texte so anschaulich nachzuerzählen, dass sie lebendig und neu verständlich werden. Seine eingeschobenen Zwischenfragen scheinen denen der Leserinnen und Lesern zuvorzukommen, um sie dann in schlüssigen und verständlichen Deutungen zu erklären. Warum z.B. beginnt die Bibel in den ersten beiden Kapiteln mit zwei sich widersprechenden Schöpfungsgeschichten? - Wie kann man mit gesundem Menschenverstand begreifen, warum Abraham bereit ist, seinen langersehnten Sohn Isaak Gott zu opfern und umzubringen? - Was sollen die Wundergeschichten Jesu eigentlich aussagen? Nürnbergers Antworten können sowohl "Alte Hasen" überraschen als auch bislang Bibelskeptische neugierig machen. Dieses Buch will das Lesen des Originals nicht überflüssig machen, vielmehr soll es  "Lese-Appetit" machen.
Zuletzt beschreibt der Autor in acht Thesen verbunden mit persönlichen Bekenntnissen, wie grundlegend die Bibel für unsere Kultur- und Geistesgeschichte ist, wie die Bibel Ethik und Moral der Neuzeit geprägt hat.
Wer "Keine Bibel" von Christian Nürnberger gelesen hat versteht, warum es gut ist, die Bibel nicht wörtlich, sondern beim Wort zu nehmen. Das ist der rote Faden der sich durch die 235 Seiten zieht.

(Christa Dresbach-Schnieder)

 

 

 

Kreller, Susann: Hannas Regen
Carlsen 2022. 191 Seiten
ISBN: 978-3-551-58475-5
15,00 Euro

Die 2015 für „ Elektrische Fische“ mit dem Jugendliteraturpreis ausgezeichnete Autorin widmet sich auch in ihrem neuen packenden Jugendroman wieder einem brisanten Thema.

Dass mit Hanna, der Neuen in ihrer Klasse, etwas nicht stimmt, spürt Josefin von Anfang an. Ohne Regenjacke und Schirm patscht Hanna an ihrem ersten Schultag ungerührt durch den strömenden Regen, sitzt dann völlig  durchweicht in der Schule auf dem Platz neben ihr- und schweigt. Behutsam nähern sich die beiden ungleichen Teenager, die behütet aufwachsende Josefin und die rätselhaft- abweisende Hanna, einander an. Poetisch und sprachmächtig erzählt Susann Kreller eine berührende, leise Geschichte über das schwierige Erwachsenwerden eines Mädchens aus einer kriminellen Familie, einer verletzten  Jugendlichen, die sich versteckt im Regen und im Schweigen und die doch in einer zarten Freundschaft die unsichere Josefin stärkt und ermutigt.

Eine besondere Leseempfehlung für Jugendliche ab 12 Jahren und für alle Erwachsenen, deren Herz für die Welt der Heranwachsenden und deren oft nicht gradlinig verlaufenden Wege schlägt.

(Christine Heymer

 

 

 

de Fombelle, Thimotée: Hinter dem Schnee 
Gerstenberg 2022
ISBN: 978-3-8369-6118-9

Warmherziges poetisches Weihnachtsmärchen um menschliches Mitgefühl und eine rettende Fügung

In unwirtlichem Dezemberwetter macht sich der alte Eiswagenfahrer Freddy D´Angelo auf den Weg von Nordfrankreich nach London, um bestelltes Eis noch rechtzeitig zum Weihnachtsfest auszuliefern. Freddy ist unglücklich, denn das Geschäft läuft schlecht und Freddy ist so einsam, dass er bald hundert Tage mit niemandem gesprochen hat. Zur gleichen Zeit fliegt eine alte Schwalbe durch den winterlichen Dezemberhimmel. Sie hat eine Mission zu erfüllen mit ihrer kräftezehrenden Reise gegen den Strom aus warmen Gefilden ins kalte Europa. Vor vielen Jahren hat sie ein kleiner barmherziger afrikanischer Junge vor dem sicheren Tod bewahrt. Auf wundersame Weise rettet sie nun diesem zum Mann gereiften jungen Menschen das Leben und schenkt dem alten Freddy seine Lebensfreude zurück.
Das ausdrucksstark illustrierte Büchlein erzählt ein seelenwärmendes Weihnachtswunder, in dem Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit durch Herzensgüte und gnädige Vorhersehung zu Trost und Wärme werden: Ein wunderschön gestaltetes Vorlese- und Geschenkbüchlein, das wie ein weihnachtlicher Stern in Kälte und Dunkel strahlt.

(Christine Heymer